84%
Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain
Pro & Contra
+ teilweise unglaublich schön, insb. die Charaktermodelle
+ bestes MGS-Gameplay bis dato
+ viele Herangehensweisen möglich
+ einige grossartige Charaktere
+ spielerisch sinnvolle Sidekicks
+ riesiger Umfang
+ unzählige Tonbänder mit
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Pro & Contra
+ teilweise unglaublich schön, insb. die Charaktermodelle
+ bestes MGS-Gameplay bis dato
+ viele Herangehensweisen möglich
+ einige grossartige Charaktere
+ spielerisch sinnvolle Sidekicks
+ riesiger Umfang
+ unzählige Tonbänder mit fantastisch viel Backstory
+ super Soundtrack
+ philosophisch, wie man es von Kojima kennt
+ guter Cast
+ einige gigantische Story-Setpieces
+ an sich sehr interessanter Plot
+ Referenzen zu anderen Teilen
+ Mother Base & Forschungsarbeiten
+ volle, aber letztlich präzise Steuerung
? Ende
- wirkt insgesamt unfertig
- viel Filler-Content
- nur zwei grosse Schauplätze
- oft Leerlauf in der Open World
- Credits nach jeder Mission ()
- holprige Storyprogression
- Wartezeiten / Microtransaktionen
Fazit
"I won't scatter your sorrow to the heartless sea. I will always be with you. Plant your roots in me. I won't see you end as ashes. You're all diamonds."
Selten fiel es mir so schwierig, eine präzise Meinung zu einem Spiel zu schreiben wie zu The Phantom Pain. Kaum je habe ich in den letzten 10 Jahren einen AAA-Titel gespielt, der so unglaublich ambivalent ist.
Klar scheint mir einzig Folgendes. Kojima ist ein Genie. Aber auch ein verrücktes Genie. Ein Egozentriker. Ein Visionär. Aber auch ein Kindskopf.
Diese Gegensätze, die in seinen Spielen eigentlich immer schon präsent waren, kommen in MGS V so stark ans Licht wie in keinem anderen Spiel von ihm zuvor. Man merkt, was für eine gewaltige Vision er für diesen Titel hatte. Wie er eine offene Spielwelt mit einem gewaltigen, 20 Jahre Videospielgeschichte umfassenden Plot verbinden wollte. Man merkt auch, welch Egomane er ist ("directed by Hideo Kojima" zu Beginn und Ende jeder einzelnen Mission ). Und wie ihm Kompromissfähigkeit fehlt.
Und letztlich muss man sagen, ist Kojima in der Umsetzung all dieser Ideen etwas gescheitert. Und trotzdem war es ein faszinierendes Erlebnis. Aber alles schön der Reihe nach.
Was das Stealth-Gameplay betrifft, ist die Sache für einmal einfach. Noch nie bot ein MGS so viel Tiefgang in seiner Herangehensweise und Möglichkeiten. Ein gewaltiges Waffenarsenal, 4 sehr vielseitige Sidekicks und eine grosse Spielwiese erlauben die kreativsten Herangehensweisen an fast jede Mission. Besonders gut kommt dies in Missionen zum Vorschein, bei denen mehrere Lokalitäten/Dörfer besucht werden müssen. Dort gibt es wirklich absolute Freiheit in der Missionsplanung und derer Umsetzung. Das Beeindruckende dabei ist, dass trotz dieser grossen Möglichkeit des Spielers, auf seine Umwelt Einfluss zu nehmen, die Ergebnisse und die Reaktion der Spielwelt darauf plausibel und kohärent wirken. Werde ich etwa in einem Dorf entdeckt, funken die Gegner herum und die Alarmbereitschaft in anderen Basen wird erhöht. Gelingt es mir vorher das lokale Funkgerät zu zerstören, bleiben die Gegner im Dunkeln. Löse ich einen Alarm aus, formieren sich die Wachen und nehmen eine koordinierte "Sweep & Destroy"-Suchaktion vor und kehren erst anschliessend langsam zu ihren Posten zurück. Zerschiesse ich eine Kamera oder eine Lampe, kommt jemand vorbei und schaut sich an, was passiert ist. Solche Beispiele gibt es unzählige. Hier arbeiten im Hintergrund wirklich wunderbar viele KI-Berechnungen mit vordefinierten Skripts zusammen, was zu einer überwiegend glaubhaften Spielwelt führt. Da kommt bisher kein MGS- oder anderes Stealth-Game heran.
Das alles wird insgesamt auch sehr manierlich dargestellt. Die FOX-Engine ist wirklich der absolute Kracher. Tolle Charaktermodelle, eine an sich wunderschöne Openworld und eine hervorragende Performance (fast durchgehend 60 fps) sprechen für diese Eigenentwicklung und lassen andere Engines da doch etwas alt aussehen. Kojima-typisch sind auch die (deutlich reduzierten) Cutscenes wieder kinoreif, der Soundtrack pointiert und das Voiceacting Oberklasse. Als Randnotiz muss ich gestehen, dass ich als Snake weiterhin gerne David Hayter gehört hätte. Aber am Ende konnte ich auch mit Kiefer Sutherland leben, zumal Snake in diesem Spiel deutlich weniger spricht als in anderen Serienteilen.
Aber ja, das mit den Cutscenes. Ich denke, der überwiegende Teil der MGS-Fans liebt den Franchise für seine ausufernden und vielen Zwischensequenzen, den abgefahren erzählten Plot und die unermessliche Backstory, die über 20 Jahre lang aufgebaut wurde. Dementsprechend polarisiert MGS V, welches zugunsten spielerischer Freiheit sehr viel von seinem engen narrativen Korsett vergangener Tage opfert. Damit konnte ich einfach nicht umgehen in den ersten 10 Stunden. Vor allem weil der Prolog ja klassisch linear und inhaltlich unglaublich dicht und thematisch abartig daherkommt und etwas falsche Erwartungen an das restliche Spiel weckt.
Überwindet man dann aber einmal den Kulturschock, merkt man, dass MGS auch auf diese Weise storytechnisch funktionieren kann bzw. könnte. Backstory erhalte ich immer noch durch die dutzenden Kassetten, die ich bei Erfüllung von Missionen erhalten und wahnsinnig viel über das MGS-Universum verraten und sehr wertig produziert wurden. Gewissermassen ein Surrogat zu den früheren Codec-Diskussionen. Ich habe mir jedenfalls jede einzelne Kassette angehört und das teilweise mehrmals. Und hier reden wir von vielen Stunden, wo ich einfach nur da sass und zuhörte. So gut waren diese Kassettendialoge geschrieben.
Aber eben. Diese Ambivalenz. MGS V hätte auf zwei Arten eines der besten Spiele aller Zeiten werden können. Entweder Kojima hätte sich ein wenig in seiner Ambition gemässigt und das Spiel etwas kleiner und strukturierter gestaltet und weniger aufgeblasen. Das war offenbar kein Thema. Oder aber Konami hätte Kojima nochmals ein halbes Jahr Entwicklungszeit gegeben, um das Spiel ein wohlgeformtes Ganzes werden zu lassen. Das war offensichtlich genau so wenig ein Thema.
So haben wir mit MGS V den Inbegriff eines ungeschliffenen Diamanten erhalten. Wie gut das zu den Diamond Dogs passt! Einige grossartige Story-Momente wechseln sich ab mit unglaublich repetitiven Side Ops-Missionen, viel Leerlauf in der an sich schönen offenen Spielwelt und unglaublich frechem Copypaste der Missionen im letzten Spieldrittel. Diese Copypaste-Missionen kann man zwar alle umgehen, um die 7 bzw. eher 6 der insgesamt 19 neuen Missionen von Chapter 2 zu spielen, dies gelingt aber nur, wenn man andere, ebenfalls eher repetitive Dinge erledigt. Das hätte so einfach nicht sein dürfen, da hätte man einfach seinen Stolz runterschlucken müssen und das Spiel verkleinern sollen. Generell fehlt auch die saubere Verknüpfung zwischen Cutscenes und Spielwelt. Da hat man einfach irgendwas gemacht, manchmal wird eine Zwischensequenz automatisch getriggert, mitten in der Mission, manchmal muss man zur Basis zurück fliegen, manchmal wird die Mission unterbrochen, nein, das ist einfach nicht kohärent geworden.
Das Ende (True Ending von Mission 46) ist auch so eine Sache. Ich spoilere jetzt nichts, aber ich würde sagen, dass vermutlich die Hälfte der Spieler es für eine pure Frechheit halten dürften, die andere Hälfte findet es derweil wohl genial. Ich habe noch keine Meinung dazu, aber ich hatte gestern Nacht irgendwie beide Reaktionen ("WTF? Holy Crap, welch Twist!" und "WTF? Kojima, das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?") verspürt. Ambivalent eben.
Letztlich ist MGS V ein unglaublich vielschichtiges, spielerisch, wie inhaltlich komplexes Werk geworden, welches noch lange polarisieren dürfte. Schade, gab es diese medial gross aufgebauschte Kontroverse um Kojima und Konami, die ich nach knapp 59 Spielstunden zwar irgendwo im Spiel wiedererkannt habe, zugegeben, aber nur unnötig von der Vielschichtigkeit und Gegensätzlichkeit dieses Werkes ablenkt, die an sich viel, viel spannender ist.
Bis zu dieser Zeile weiss ich nicht, was ich dem Spiel für eine Wertung geben soll.
Metal Gear Solid V: The Phantom Pain ist letztlich beides: ein Original. Und ein Phantom einer der grössten Serien zugleich.
Und ja doch, das möchte ich honorieren.
8.5/10
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Alles zu MGS V gibt es bei www.lostgamers.ch - der grossen Gamer-Community der Schweiz!
weniger
+grossartiges, vielschichtiges Stealth-Gameplay
+exzellente Präsentation
+an sich interessanter Plot
+grosser Umfang
-unfertig
-teilweise etwas Leerlauf
-für ein MGS sehr wenig eigentliche Storyprogression