Leider hat sich der anfangs gute Eindruck zum Spiel nach einem Wochenende intensiven Städtebaus stark relativiert, so dass hier eine Neubewertung nötig wird.

Auf Serverprobleme, fragwürdiges Online-Spielsystem und Grosskonzern-Kundenverarsche wurde schon zur genüge eingegangen, so dass hier vor allem die Mängel am eigentlichen Spiel im Vordergrund stehen.

Am Anfang schien alles wunderbar; Strassen werden gezogen, das Städtchen wächst, die Sims wuseln emsig herum und der Spieler freut sich über ein runderneuertes und zeitgemässes Sim City. Mit zunehmender Spieldauer ziehen aber immer mehr Wolken am Sim-Himmel auf:

- Viel zu kleine Maps
Sobald das Stadtwachstum richtig in Fahrt kommt und die Einwohnerzahl rapide steigt, zeigt der Platzmangel sein hässliches Gesicht. Plötzlich brauchts ein zweites Kraftwerk, eine grosse Kläranlage, ÖV-Bahnhöfe etc. - bloss wohin damit?! Innere Verdichtung ist ja schön und gut, nur brechen bei diesen Umbauten leider sämtliche Versorgungsketten zusammen, ebenso der Spielspass.
Fast schon ironisch wirkt auch die Neuerung, kurvige Strassen bauen zu können. Da diese nämlich unweigerlich mehr Platz brauchen und nicht nutzbare Bauland-Nischen bilden, baut man spätenstens im zweiten Anlauf wieder geometrische Rasterstädte, um den knappen Platz wenigstens so gut es geht auszunutzen.

- Austausch zwischen Städten
Der nächste Gedanke wäre nun, die benötigten Versorgungsbetriebe in der Nachbarstadt hochzuziehen. Dies wäre eine gute Lösung, wenn denn der Austausch auch funktionieren würde. Leider zeigen Städte aber überall eine Unterversorgung an, obwohl die Nachbarstadt riesige Überkapazitäten besitzt. So muss ich in Stadt A 250 Einheiten Strom ins Nirwana schicken, nur damit Stadt B die benötigten 50 bekommt. Viel Spass bei der Energiewende.

- Keine gemeinsame Finanzverwaltung
Ein weiteres Problem des Austausches zwischen Städten ist, dass jede über ein eigenes Budget verfügt. Das heisst auch, dass jede Stadt für sich einen Gewinn erwirtschaften muss, damit weitergebaut werden kann. Somit wird es praktisch unmöglich, die grossen Platzfresser- und Dreckschleuder-Betriebe auszulagern, jede Stadt muss sich weitgehend selbst versorgen. Wo jeder moderne Staat den regionalen Finanzausgleich kennt, bilden in SimCity fummelige Einzelschenkungen (die zudem nicht immer klappen!) die einzige Möglichkeit zum Geldtransfer. Facepalm.

- KI-Bugs
Ob im Strassenverkehr oder bei der Jobsuche, die Sims scheinen keine rechte Orientierung zu haben. Da wird im Auto stur der kürzeste Weg - eine völlig verstopfte Nebenstrasse - gewählt, während die sechsspurige Umfahrungsroute verlassen da liegt. Offene Jobs in der Nachbarstadt werden trotz feudalem ÖV-Netz ignoriert, stattdessen wird wegen Arbeitsmangel rumgemeckert. Die Berater sind für die Katz, weil sie meistens völligen Unsinn verlangen und drei Ambulanzen wollen den selben Patienten retten, was zwei andere natürlich mit dem Leben bezahlen.

- Andere Bugs
Zu diesen Fehlern gesellen sich noch weitere, wie z.B. das völlig unbrauchbare Recyclingsystem: Schickt man Sammelwagen in Nachbarstädte, liegt plötzlich das ganze Recyclingwerk still. Zudem streikt dann auch die Müll-Übersichtskarte komplett. Gebäude lassen sich aus unerklärlichen Gründen nicht platzieren und Strassen in topfebenem Gelände können "wegen fehlender Nivellierung" nicht verbunden werden. Aaaargh!

- Mangelndes Spielfeedback / Infos
Über all diese Probleme spannt sich zum krönenden Abschluss ein drastischer Mangel an Information. "Warum pendeln die Sims nicht? Wieso finden die Firmen trotz Schulen keine Fachkräfte? Wieso wird trotz 0 Verbrechen/Tag wegen der Kriminalität demonstriert?" Ständig steht der Spieler vor solchen Fragen und kann nicht einmal abschätzen, ob er nun einen Zusammenhang nicht begriffen hat oder wieder mal einem Bug begegnet ist.

Zusammenfassend bin ich vom neuen SimCity schwer enttäuscht. Es steckt in einem hübschen Gewand, kommt anfangs modern und verlockend daher. Mit zunehmender Spielzeit wird man aber den Eindruck nicht mehr los, dass der Entwickler Maxis sich mit dem Projekt massiv übernommen hat. Hier passt einfach so vieles nicht zusammen, dass die Begeisterung rapide wieder abnimmt. Besonders ärgerlich ist, dass man bis zu diesem Zeitpunkt bereits viel an Einarbeitungszeit (aufgrund des Infomangels) investiert hat, nur um dann zu merken, dass das Spiel an unzähligen Ecken und Enden hakt.
Da aber praktisch alle Mängel per Patch behebbar sind, hoffe ich für die Zukunft des Titels auf Besserung und werde ihn in einigen Wochen gerne mal wieder hervornehmen. Potenzial ist nämlich reichlich vorhanden. Bis dahin bleibt SimCity 4 das bessere Spiel, welches ich hier auch klar bevorzugt empfehle.

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